Wie wir die Kinderrechte lebendig ins Kinderdorfleben integrieren
„Das muss ich nicht machen – ich habe Rechte!“ So oder ähnlich schallt es unserem pädagogischen Team seit 2024 öfters entgegen. Unsere Mitarbeitenden freuen sich über solche Aussagen: Wir sind unserem Ziel, die Menschen- und besonders die Kinderrechte prominent im Alltag unserer beiden Kinderdörfer zu verankern, wieder einmal ein riesiges Stück nähergekommen.
Langer Prozess
Partizipation und Kinderrechte waren uns im Arbeitsalltag schon lange wichtig. Ob Teambesprechung, Leitungskonferenz oder Strategietagung – in unterschiedlichen Settings haben wir uns immer wieder Gedanken gemacht, wie wir unsere Kinder und Jugendlichen noch besser stärken und beteiligen können. Dabei wurde uns immer deutlicher, dass wir als Basis ein gutes Schutzkonzept brauchen. Etwa seit 2020 haben wir intensiv mit dessen Entwicklung beschäftigt und standort- und einrichtungsbezogen ausgefeilte Schutzkonzepte entwickelt.
unsere erste Kindervollversammlung im Kinderdorf Lipperland
Kinderrechte bekannter machen
Aber ein gutes Konzept allein reicht nicht! Deshalb haben wir sofort begonnen, es mit Volldampf umzusetzen. In den Kinderdörfern hatten wir Teilhabe und Mitbestimmung schon zuvor trainiert – zum Beispiel im Kinder- und Jugendparlament, in das jede Wohngruppe einen Abgesandten schickt und in dem z.B. über Aspekte der Freizeitgestaltung debattiert und entschieden wird. Zudem fand im Kinderdorf Lipperland im Juli 2023 die erste Kindervollversammlung statt, auf der die Kinder eifrig mitdiskutieren.
Für 2024 rief Wekido ein „Jahr der Kinderrechte“ aus. Es galt, allen Kindern und Jugendlichen ihre Rechte zuerst zu erklären und dann gemeinsam an die Umsetzung dieser Rechte zu gehen. Jede Wohngruppe, jede Kita-Gruppe lernte nun die Kinderrechte altersgerecht kennen. Anfangs war vielen Kindern nur das Recht auf Taschengeld oder das Recht auf Ernährung bekannt – es gab also viel zu tun. Das Thema interessierte sie jedoch, deshalb passten sie gut auf und wussten bald immer besser Bescheid.
Kinderrechte ausdiskutieren
Besonderer Diskussionsbedarf entstand durch den Fakt, dass nicht nur jedes Kind Rechte hat – alle anderen Menschen haben ebenfalls Rechte! „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt (…)“, sagt Artikel 2.1 des Deutschen Grundgesetzes. Dies machte die Sache kompliziert: Wo endet mein Recht, weil das Recht meines Gegenübers stärker zu bewerten ist? Wann dürfen, wann müssen die Erwachsenen sich einmischen, wann habe ich das Recht, in Ruhe gelassen zu werden?
In unseren Wohngruppen entbrennen bis heute immer wieder lebhafte Diskussionen darüber, wie wir die jeweils aktuellen Bedürfnisse der Anwesenden am besten unter einen Hut bekommen. Das ist manchmal zeitaufwendig, freut uns aber sehr, weil unsere Kinder und Jugendlichen sich so eine immer bessere Sozialkompetenz und gesellschaftliche Mündigkeit erarbeiten.
unser Kinderrechtetag auf der Burg Sternberg
Kinderrechtetag als Höhepunkt des Jahres
Im September trafen sich die Kinder und Jugendlichen aus beiden deutschen Kinderdörfern und aus den Kitas auf der Burg Sternberg, die das Wekido-Team mit Unterstützung der Agentur Haermanz an diesem Tag in eine Kinderrechte-Eventlocation verwandelt hatte.
Es gab Glitzertattoos und Selbstbehauptungstraining, Märchenstunde und Mitmach-Hörspiel, Action und Entspannung, jede Menge leckere Snacks und rundum gute Laune.
Zum Andenken nahm sich jeder einen Wir-haben-Rechte-Rucksack, einen bunten Sonnenhut und einen Kinderrechte-Leporello mit nach Hause. An diesen ganz besonderen Tag, den die meisten „total cool“ fanden, werden die Kinder und Jugendlichen noch lange gern zurückdenken. Und sich dabei immer auch an ihre Rechte als Kind und Mensch erinnern.
Nachlese
Im November 2024 tagte die zweite Kindervollversammlung im Kinderdorf Lipperland. Diesmal besprachen die Kinder, wo das Pädagogische Team ihre Rechte gut beachtet und wo dies aus Kindersicht noch optimiert werden könnte. Die Kinder bekamen grüne, gelbe und rote Aufkleber und konnten damit auf verschiedenen Plakaten ihre Bewertungen der verschiedenen Bereiche sichtbar machen.
„Wir haben fast nur grüne Punkte gekriegt – sie waren gnädig mit uns“, fasste Dorfleitung Heike Krietenstein das Ergebnis zusammen. Sie beobachtet neuerdings mehr Miteinander, mehr Rücksichtnahme und mehr Verständnis für die Rechte und Bedürfnisse der Anderen bei den Kindern – und auch im pädagogischen Team.
Ausblick
Das Kinderrechte-Jahr ist zu Ende, unsere Mission geht 2025 weiter: Gemeinsam werden wir unsere neuen Einsichten festigen, das neue Wissen ausbauen, immer weiter darüber diskutieren – und die Kinder- und Menschenrechte gemeinsam leben.
Die Bundestagsabgeordnete Anke Hennig, stellvertretende familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, hat neulich unser Kinderdorf in Dissen besucht.